Wie bei fast jeder bahnbrechenden Technologie sind sich auch bei der Künstlichen Intelligenz (KI) fromme Christen, Politiker der linken, aber auch der extremen Rechten im Gegensatz zu den meisten anderen Themen wieder einmal einig: KI wird zum ultimativen Jobkiller. Eine Welle von Massenarbeitslosigkeit steht uns bevor – so die Prophezeiung.
Doch stimmt das wirklich? Während meiner Tätigkeit in der Markt- und Trendforschung in den frühen 2020er-Jahren habe ich gelernt, wie wertvoll es ist, historische Entwicklungen zu betrachten. Werfen wir also einen Blick in die Vergangenheit. Dieser Rückblick zeigt: Keine Technologie hat je ausschließlich Arbeitsplätze vernichtet. Im Gegenteil – der Arbeitsmarkt hat sich immer angepasst, verändert und neu erfunden.
Wandel ist nichts Neues
Technologischer Fortschritt verändert den Arbeitsmarkt – das ist kein neues Phänomen. Dieser Prozess begann spätestens im Spätmittelalter, wenn nicht sogar schon früher. Denken wir an die neolithische Revolution, als die Menschen von Jägern und Sammlern zu Bauern wurden. Dieser Wandel vollzog sich übrigens über zweieinhalb Jahrtausende. Auch spätere Technologien brachten massive Veränderungen mit sich, ohne jedoch langfristige Arbeitslosigkeit zu verursachen.
Ein anschauliches Beispiel ist das Automobil: Als es vor rund 100 Jahren zum Massenphänomen wurde, bedeutete das das Ende für viele Pferdezüchter, Hufschmiede oder Kutschenbauer. Gleichzeitig entstanden aber unzählige neue Jobs – von Kfz-Mechatronikern und Karosseriespenglern über Reifenhändler bis hin zu Tankwarten. Als Berta Benz mit ihren Söhnen die erste Ausfahrt unternahm, hatte noch niemand eine Ahnung davon, dass es einmal Tankstellen und damit Tankwarte geben würde.
Ähnlich verhielt es sich mit dem Internet: Mitte der 1990er-Jahre konnte sich kaum jemand Berufe wie Webdesigner, UX-Designer, Community-Manager oder Social-Media-Experten vorstellen. Vor anderthalb Jahren mir der Begriff „Prompt Engineer“ noch völlig unbekannt.
Warum Massenarbeitslosigkeit?
Natürlich gab es in der Geschichte Phasen der Massenarbeitslosigkeit. Diese waren jedoch nie das Ergebnis technologischer Neuerungen. Vielmehr waren sie die Folge von Finanzkrisen, rasantem Bevölkerungswachstum, politischen Fehlentscheidungen oder einer Kombination aus mehreren Faktoren. Beispiele für politische Fehlentscheidungen sind Protektionismus – das Abschotten der eigenen (oft technologisch unterlegenen) Wirtschaft durch Zölle oder Handelshemmnisse – und übermäßige Subventionierung veralteter Technologien. Solche Ansätze mögen kurzfristig Arbeitsplätze schützen, sind jedoch langfristig nicht tragfähig. Innovation lässt sich nicht aufhalten. Österreicher erinnern sich vielleicht noch an die hochsubventionierte Verstaatlichte Industrie, die in den 1980er-Jahren in eine schwere Krise geriet. Von den vielen technologisch rückständigen Betrieben des ehemaligen Ostblocks einmal gar nicht zu reden.
Wie wird KI den Arbeitsmarkt beeinflussen?
Ja, KI wird Jobs verändern – und in manchen Fällen auch ersetzen. Doch vor allem wird sie neue Chancen schaffen. Ein bekanntes Zitat besagt: „KI wird nur die Jobs derjenigen ersetzen, die sich nicht mit ihr beschäftigen.“ Dieses Statement trifft den Kern. KI ist ein mächtiges Werkzeug, das Effizienz und Exzellenz steigern kann. Um davon zu profitieren, müssen wir lernen, sie gezielt einzusetzen.
Warum Du KI verstehen solltest
Es ist nachvollziehbar, dass viele Menschen Angst vor KI haben. Doch sich aus Angst vor ihr abzuwenden, ist ein strategischer Fehler. Arbeitgeber werden kaum einen KI-erfahrenen Mitarbeiter entlassen, um dessen Arbeit selbst zu übernehmen. Andererseits ist es ziemlich sicher, dass Bewerber mit KI-Kenntnissen bevorzugt eingestellt werden.
Wer KI nutzt, wird schnell ihre Grenzen erkennen – nämlich die des Bedieners. Ein gutes Beispiel sind KI-Musikprogramme: Die ersten Ergebnisse mögen beeindruckend klingen, doch mit zunehmender Beschäftigung merkt man, dass echte Qualität nur in Kombination mit menschlicher Expertise erreicht werden kann. Ähnlich verhält es sich in anderen Bereichen wie Datenanalyse oder juristischen Texten. Ohne Fachwissen bleibt die KI ein Werkzeug mit beschränktem Nutzen. Wenn man ohne Kenntnisse des österreichischen Rechts von einer vorrangig mit US-amerikanischen Texten trainierten KI juristische Texte erstellen lässt und erwartbare Fehler nicht erkennt, kann das sogar katastrophal enden.
Effizienzsteigerung statt Jobabbau
Ein verantwortungsvoller Einsatz von KI bedeutet, sie zur Steigerung von Effizienz und Exzellenz einzusetzen, anstatt Arbeitsplätze abzubauen. Beispielsweise können Unternehmen durch KI nicht nur zielgerichtetere Werbung erstellen (z.B. statt einer Facebook-Werbung zwei Werbungen für unterschiedliche Zielgruppen schalten), sondern auch mehr Zeit in die Kundenbetreuung investieren. Verkäufer können sich intensiver um Kunden kümmern, während Routineaufgaben von KI übernommen werden.
Technologie für alle
Neue Technologien sind oft für größere Bevölkerungsgruppen zugänglich als es Vorgängertechnologien waren. Denken wir zum Beispiel an Autos: Während Pferdekutschen absolute Luxusprodukte waren, sind Autos heute für fast alle selbstverständlich. Selbst in den ärmsten Regionen der Welt tragen Menschen Smartphones mit sich, die die Funktionen von Fernsehern, Schreibmaschinen, Taschenrechnern, Fotos- und Videokameras, einer mehrbändigen Enzyklopädie und so weiter vereinen. Jedes einzelne dieser „Vorgängerobjekte“ war für viele vor ein paar Jahrzehnten absolut nicht leistbar.
Auch KI wird diesen Weg gehen. Sie wird es kleinen Unternehmen ermöglichen, Daten effizient auszuwerten, personalisierte Kundenansprache zu betreiben und Social-Media-Kampagnen professionell zu steuern – Dinge, die bisher großen Konzernen vorbehalten waren.
Warum wir KI brauchen
Betrachten wir die demografische Entwicklung: In Österreich stehen 140.000 60-Jährigen nur 87.000 15-Jährige gegenüber. Das bedeutet, dass rund ein Drittel der durch Pensionierungen frei werdenden Stellen nicht nachbesetzt werden kann, zumindest nicht ohne zusätzliche Migration. Unsere Gesellschaft kann es sich gar nicht leisten, auf KI zu verzichten und beispielsweise Menschen in „Büro-Knochenjobs“ Daten von einer Excel-Tabelle in die andere kopieren zu lassen. Experten ihres Faches, die KI effizient einsetzen können, um noch exzellentere Ergebnisse zu erzielen, braucht unsere Gesellschaft wie ein Bissen Brot.
Fazit
KI ist keine Bedrohung, sondern eine Chance. Sie wird die Arbeitswelt verändern – aber sicherlich nicht zerstören. Wer sich mit KI beschäftigt und sie klug einsetzt, wird nicht nur beruflich profitieren, sondern auch dazu beitragen, den Fortschritt unserer Gesellschaft voranzutreiben.
Nachbemerkung:
Da in diesem Beitrag sehr viele Berufsgruppen erwähnt werden, wäre der Text gegendert kaum noch lesbar gewesen. Selbstverständlich trete ich für Gleichberechtigung nicht nur ein, sondern lebe sie aktiv. Mit der im Beitrag verwendeten männlichen Form sind somit sämtliche Menschen unabhängig von Geschlecht und sexueller Orientierung gemeint.